GRÖNLAND »INS EWIGE EIS« 2008
Fotos: Manuel Arnu
Grönland »Ins ewige Eis«
Text: Manuel Arnu
Es war eine Expedition ins Ungewisse. Bevor der Filmemacher Olaf Obsommer aus Nussdorf am Inn am 24. Juni 2008 mit seinem Expeditionsteam nach Grönland aufbrach, hatte er nur eine vage Vorstellung von der größten Insel der Welt: Unendliche Eismassen, frostige Kälte und Millionen von Mücken. Keine idealen Voraussetzungen für eine erfolgsversprechende Wildwasserexpedition. Und trotzdem gelang ihm und seinen Mitpaddlern als weltweit zweites Expeditionsteam überhaupt eine Befahrung von Grönlands extremen Wildwasserflüssen.
»Für mich war Grönland immer ein großer, im wahrsten Sinne des Wortes, weißer Fleck« sagt der mit allen Wildwassern der Erde gewaschene Kajak-Experte. Bis er im vergangenen Jahr ein paar spärliche Informationen von einer britischen Kajakexpedition erhielt und mit der Hilfe von Google Earth auf Satelitenbildern Erstaunliches entdeckte. Auf der arktischen Rieseninsel, welche die Wikinger im Mittelalter Grünland tauften, gibt es Berge, eisfreie Täler und Flüsse, die von mächtigen Gletschern gespeist, fulminantes Wildwasser ergeben.
Grönland ist ein Land der Extreme. Der mächtige Brocken aus Eis und Fels ist die größte Insel der Welt, etwa sechsmal größer als Deutschland. Mehr als 80% der Landesfläche ist mit solidem Eis bedeckt, zum Teil ist die Eisschicht dicker als 3000 Meter. Auf Grönland wurden die ältesten Gesteine der Welt gefunden, darunter der Grönlandit, welcher vor 3,8 Milliarden Jahre entstand. Im Sommer klettern die Temperaturen selten über 10 Grad, während im ewigen Polarwinter –30 Grad und kälter der Normalzustand ist.
Während ihrer fünfwöchigen Expedition wurden sämtliche Vorurteile über Grönland bestätigt. Das Team musste Mückenplagen biblischen Ausmaßes ertragen. In manchen Tälern waren die Plagegeister so übermächtig, dass kein Insektensprays der Welt sie aufhalten konnte. Einzig ein Moskitohut und stoische Ruhe waren der Garant, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Das Team spürte die Eiseskälte auf ihren Knochen, als sie auf dem Weg zum Isortoq-Fluss für 2 Tage im Packeis gefangen waren. Und doch zeigte sich das unbekannte Grönland auch von einer ganz anderen, unerwarteten Seite. Warme Quellen zum Baden, bunte Blumenteppiche auf grünen Wiesen, Sonnenbrand und schäumendes Wildwasser.
Das Team konnten auf dem Quinga, Nassarsuaq und Isortoq zum Teil spektakuläre Wasserfälle, Rutschen und Katarakte bezwingen. Allerdings mussten alle Flüsse hart erarbeitet werden. Schon die Anfahrt zu den wilden und abgelegenen Flüssen war zeitraubend, mühsam und kostspielig. Grönland ist eine Fischer- und Jägernation. Praktisch alle Ortschaften liegen direkt am Meer, übliche Fortbewegungsmittel sind Boote, Schiffe, Helikopter und im Winter Hundeschlitten. Straßen gibt es nur in der unmittelbaren Umgebung kleiner Ortschaften. Um in die abgelegen Fjorde zu kommen, charterte das Team private Motorboote, welche sie zu den Flussmündungen chauffierte. Von dort wurden die Kajaks, Zelte, Nahrung und Kleidung - Ausrüstung von mehr als 40 kg pro Person - beschwerlich und kraftraubend die Flüsse hinauf geschleppt.
Grönland ist seit kurzem nicht nur unter Wildwasserpaddlern in den Fokus geraten, auch Wissenschaftler betrachten die klimatischen Veränderungen in Grönland mit gewisser Sorge. Nirgendwo sonst auf der Welt stiegen die Temperaturen in den vergangenen Jahren derart stark an, als in Grönland. Nach jüngsten Schätzungen verliert der Eispanzer Grönlands mehr als 200 Kubikkilometer jedes Jahr. Würde das gesamte Inlandeis schmelzen, stiege der Meeresspiegel um sechs bis sieben Meter. Die Grönländer sehen es gelassen. In Südgrönland werden nun Kartoffeln angebaut und die zunehmende Gletscherschmelze birgt Chancen für die Gewinnung von Wasserkraft und legt Bodenschätze frei, die dem armen Land und seinen 56.000 Einwohnern in Zukunft stattliche Einnahmen garantieren könnten. Und für die Wildwasserpaddler bedeutet es: Jahr für Jahr gibt der uralte Eispanzer ein paar Meter mehr Wildflüsse frei.
Für das Team war die Expedition nach Grönland, das von den Einheimischen Kalaalit Nunaat, »Land der Menschen«, genannt wird, auch eine Reise zurück zu den Wurzeln des Kajaksports. Die Innuit erfanden vor über 4000 Jahren die Kajaks und benutzen sie zum Teil heute noch als Transport- und Jagdmittel. Im Gegensatz zu den industriell gefertigten Wildwasserkajaks aus Polyethylen wurden die traditionellen Kajaks ausschließlich für den Gebrauch im Meer entwickelt. Sie wurden aus einem Gerüst aus Treibholz oder Knochen gefertigt und mit Robbenhaut bespannt. Viel Kenntnis um diese Kajaks ist in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen, aber einige wenige Kajakclubs in Grönland versuchen das Wissen zu erhalten und weiter zu geben. An der diesjährigen grönländischen Kajakmeisterschaft im kleinen Fischerort Quaqortoq konnten sich das Team ein wenig weiterbilden. Die wahren Meister der Eskimorolle können die für Innuit wie auch Wildwasserpaddler lebenswichtige Paddeltechnik in 35 verschiedenen Variationen ausführen. Da staunte selbst Olaf, mit über 30 Jahren Paddelerfahrung.
Das Expeditionsteam komplettierten Manuel Arnu, ebenfalls aus Nussdorf am Inn, Markus Hummel aus Augsburg, Florian Diller, Schweiz, und Jared Meehan, Neusseland.
Besonderer Dank geht an die Firmen Blackfoot, adidas, Langer, Dagger, Ty Warp, wave sport, Zoelzer, AKC